Die Vergangenheit in der Gegenwart - Wissenstransfer und das Ringen um Deutung
Im ersten Präsenz-Workshop nach der Covid-Pause ging es tief hinein in die Arbeitswelt der Archäologie. Zwischen Präsentationen im Konferenzraum und miterlebten Auseinandersetzungen im Museumskommitee machten sich die Teilnehmenden auch "ins Feld" auf, um die Forschungsgegenstände in situ betrachten zu können: Steinwälle aus der Alt-Zimbabwe-Kultur, ca. 14.-19.Jh., die in Shangano und Bumbusi aus unterschiedlichen Steinen hergestellt wurden.
Dokumentarfilm
Unsere Gastgeberin Plan Nyabezi von der University of Zimbabwe zeigte einführend einen in diesem Projekt entstandenen Dokumentarfilm, den sie aktuell auch in den umliegenden Dörfern, in Schulklassen und bei verschiedenen Stakeholdern (Nationalpark-Ranger, Tourismusbüros etc.) vorführt, um ihre Arbeit und ihren Untersuchungsgegenstand bekannter zu machen.
Der vielseitige Film verdeutlicht nicht nur, was Archäologie kann und tut, sondern auch, wie sehr das heutige Leben von Forschungsergebnissen beeinflusst werden kann. Wer darf Zugang zu den Stätten erhalten, und zu welchem Zweck? Wem gehören die archäologischen Stätten? Den Anwohnern? Dem Nationalpark? Wer kommt für Schutz und Unterhalt der Stätten auf, wenn das Ministerium für National Museums and Monuments den Status der Schutzwürdigkeit aus Finanzgründen wieder streicht?
Diese und weitere Fragen erörtert Plan Nyabezi mit ihrem Team in den verschiedenen Gruppen, die von der Thematik betroffen sind. Ein gelungener, sehr spannender Einstieg für die weiteren Vorträge und Exkursionen dieses Workshops!
Archäologie "im Feld"
Die bis heute große kulturelle Relevanz dieser archäologischen Stätten im Matabeleland zeigt sich zum einen darin, dass wir die Stätte in Shangano nur unter Aufsicht und unter ritueller Rahmung der Dorfältesten betreten durften, und dass sich für Bumbusi, trotz jahrzehntelanger Betretungsrestriktionen (es handelt sich seit 1930 um Nationalparkgelände) eine Ritualkultur erhalten hat, die die Ältesten noch kennen. Früher fanden hier, nachdem die Stätten als Lebensort bereits aufgegeben worden waren, weiterhin Regenzeremonien statt. Neben den Plattformen und Steinwällen findet man in Bumbusi auch Felsgravuren, auf denen Tierspuren zu sehen sind. Die ansässigen Nambya führen ihre Vorfahren auf die Gründer dieser Steinwall-Stätten zurück, was ihnen eine stolze präkoloniale Identität verleiht.
Weitere Informationen auf anderen Webseiten:
Nambya Museumsprojekt
Was jedoch den Kern der Nambya-Identität ausmacht, und wie sehr die Steinwälle dazu beitragen können, diese zu konsolidieren, ist deutlich Teil einer gesellschaftlichen Debatte, die unter anderem im Ringen um ein Nambya-spezifisches Museum in Hwange materialisiert. Ist die Sprache Trägerin der Kultur und des Wissens? Oder sind es die Monumente? Sollen früher gebräuchliche Alltagsgegenstände die Ausstellung prägen, oder international bekannte Feste mit traditionellen Speisen und Tänzen die heutige Nambya-Lebensweise feiern? Darf es überhaupt ein "pur" Nambya-ausgerichtetes Museum geben, zumal Hwange seit Jahrzehnten eine Minenstadt ist, in der Shona und Englisch, und nicht mehr Nambya gesprochen wird? Wie kann und darf man heute eine eigene Tradition fortführen, die auf vergangenen Epochen beruht? Kaum zwei Mitglieder des lokal und überregional besetzten Museumskommitees konnten einen Konsens erzielen - die Fellows und das Coordination Team hatten die Ehre, einer lebhaften Debatte beiwohnen zu können und ihre Erfahrungen aus anderen Kontexten mit einzubringen.
Keynote Speech
Keynote Speaker Dr. Noel Lwoga, Generaldirektor der Nationalmuseen in Tansania, griff die Problematik virtuos auf in seiner Präsentation "The Paradox of Stakeholder Participation in Dealing with Heritage."
Dass dieses Thema nicht nur für die Wissenschaftskommunikation archäologischer Forschungen wie die der Fellows Mjema und Bushozi in Tansania hoch relavant ist, sondern sowohl für Policy Briefs im Umgang mit sich radikalisierenden muslimischen Jugendlichen (Projekt von Halkano Wario, Kenia) als auch für die Publizierung eines Wörterbuchs in bis dahin nur oral tradierten Sprachen (Projekt von Saudah Namyalo, Uganda) von großer Bedeutung sein kann, beweist wieder einmal die enge Verzahnung der Anliegen innerhalb der Geisteswissenschaften. Der Widerspruch zwischen der akademisch-institutionell geprägten Kommunikationsstruktur und dem Bedarf einer angemessenen Implementierung innerhalb der Gesellschaft zieht sich durch alle geisteswissenschaftlichen Fachgebiete, wo Diskurse von Identität und Autorität, von Ownership und Festlegungen aktueller denn je sind.